BUND Leipzig

Was passiert im Hambacher Forst? Ein Interview

27. September 2018 | Kohle, Klima und Energie, Klimawandel, Natur- und Artenschutz, Naturschutz, Energiewende, Nachhaltigkeit, Suffizienz, Wälder

Martin, 36 Jahre, ist Umweltaktivist. Am Sonntag ist er von einem Besuch im Hambacher Forst zurückgekehrt, den er mit anderen zusammen vor einer Rodung für den Braunkohleabbau schützen will. Wir haben mit ihm gesprochen.

Ein Loch in der Baumrinde in Form eines Herzes, Wald Baumherz  (Juliane Weicker)

BUND Leipzig: Wie bist zum Natur- und Umweltschutz gekommen, was bewegt dich?

Martin: Als 12 jähriger an einer internationalen Schule in Hongkong, wo ich einige Jahre durch meine Eltern berufsbedingt aufgewachsen bin, bin ich bei einer Umwelt-AG auf das Thema gestoßen. Mir wurde klar, was für ein toller Schatz unser Planet ist, welche Vielfalt an Menschen, Tieren und Pflanzen auf der Erde lebt. Das wollte ich schützen, weil ich es traurig fand, wie wir mit diesem Schatz umgehen.

Derzeit ist der Hambacher Forst, ein Waldstück bei Köln, von Rodung für den Kohleabbau bedroht. Auch du bist kürzlich zu den Protesten dorthin gefahren. Wann warst du dort?

Ich bin erst vergangenen Sonntag zurückgekehrt und war etwa zwei Wochen vor Ort.

Wie ist die Stimmung im Wald?

Die Stimmung ist angesichts des Räumungseinsatzes von Polizei und RWE sehr angespannt. Als letzte Woche ein Journalist bei seiner Arbeit dort von einer Seilbrücke abgestürzt und gestorben ist, hat uns das alle sehr bedrückt. Beim wöchentlichen Waldspaziergang, an dem zuletzt mehr als 8000 Menschen teilgenommen haben, ist die Trauer in ein wütendes „Jetzt erst Recht!“ umgeschlagen. Der Einsatz gefährdet dort Menschenleben. Erst heute gab es einen neuen Unfall, bei dem eine Aktivistin von einem Baumhaus gestürzt ist und schwer verletzt wurde.

Sind denn gerade viele Menschen im Wald?

Medien sprechen teils von mehr als 100 Aktivist*innen, die sich derzeit am Widerstand gegen die Räumung und Rodung im Wald beteiligen.  Ich selbst kann dazu nichts Genaues sagen, weil immer wieder Menschen gehen und anderen dazustoßen. Die Situation ist nicht sehr übersichtlich.

Hast du einen Lieblingsort im Wald?

Was die verschiedenen Baumhaussiedlungen angeht, hat mich gerade die Vielfalt dort gefreut, über die ich mich kaum entscheiden konnte, wo es mir besser gefällt. Ich hab eine 69-jährige Frau getroffen, die schon zwei Jahren im Wald wohnt, genauso wie 18-jährige, die für den Protest die Schule schwänzen. Was die Naturerfahrung dort angeht, ist mir ein Ort eher besonders traurig in Erinnerung geblieben: Die Abbruchkante, an der mensch erahnt, wie viel vom Wald schon für immer verloren gegangen ist.

Ist der Hambacher Forst eigentlich mit dem Leipziger Auwald zu vergleichen?

Ich bin sehr viel in der Natur und verschiedenen Wäldern unterwegs und kann diese zwei Orte daher kaum vergleichen. Jeder Wald ist einzigartig und schützenswert.

Warum sollten Leipziger in den Hambacher Forst fahren?

Einmal kann ich nur allen raten, die einmalige Schönheit der Natur dort zu bewundern, solange das noch geht. Aber gerade jetzt besteht im Hambacher Wald auch die Gelegenheit, neue Ideen und Impulse zu Protest und Widerstand für eine lebenswerte Natur mitzunehmen. Deshalb find ich es toll, dass der BUND jetzt eine Busfahrt zu nächsten Großdemo dorthin organisiert. Ich lege auch allen Menschen nahe, sich selbst ein Bild von der Situation vor Ort zu machen, statt nur dem Bild in den Medien glauben zu schenken, dass REW und Polizei stark mitprägen.

In Pödelwitz bei Leipzig soll ja auch bald ein ganzes Dorf für den Braunkohletagebau abgebaggert werden. Vom Protest im Hambacher Wald können Menschen von hier sicher etwas lernen. Die Aktiven dort würden schließlich auch nach Pödelwitz kommen, um sich für den Erhalt des Orts zu solidarisieren. Ich fand es auch total super, dass mehr als 400 Menschen an der Mahnwache hier diese Woche teilgenommen haben, wo doch der Hambacher Wald weit weg ist.

Vielen Dank für das Interview!

Zur Demo mitfahren

Zur Übersicht

BUND-Bestellkorb